Ein hinterlistiger Betrug am Inle-See in Myanmar


Trotz des reichhaltigen Abendmahls bei der Cooking Class am Tag zuvor, hatten wir genug Platz in unserem Magen um das Frühstückangebot voll auszunutzen. Da der Ort Nyaung Shwe nicht viele Freizeitmöglichkeiten zu bieten hatte, entschieden wir uns für den bereits angebrochenen Tag eine ganztägige Bootsfahrt über den Inle-See, Myanmars zweitgrößten See, zu machen. Vorab wurde der See als absolutes Highlight angepriesen, das man nicht verpassen darf. Also fiel uns die Entscheidung dazu nicht schwer. Auch die nette Dame von der Rezeption redete uns zu, den Ausflug mit dem Boot lieber heute als morgen in Angriff zu nehmen. Sie erklärte, dass für die übrigen Tage Regen angesagt wäre. Auf der Straße fingen uns auch gleich die geschäftstüchtigen Bootsverleiher ab. Jeder wollte seine Longtailbootstour dem touristischen Besucher unter die Nase reiben. Gleich das erstbeste Angebot ließen wir uns aufdrängen, da es genau dem Preis entsprach, den wir am Vortag ausgekundschaftet hatten. Fränn willigte bei 18.000 Kyat, dem Standardpreis für so ein Boot, ein und Änn kümmerte sich später um die finanzielle Übergabe. Das Prinzip unserer Arbeitsteilung, Fränn verhandelt, Änn bezahlt und verwaltet, brachte uns sonst erhebliche Vorteile beim Abschluss des Geschäftes. Vorab wollten wir am Bootsanleger die länglichen Holzboote begutachten. Alle sahen auf den ersten Blick gleich aus. Die einheimische Dame, die die Mutter unseres Bootfahrers war, erklärte uns nochmal ausführlich die Route mit den anzufahrenden neun Stationen.

 

 

Unser Bootsführer war scheinbar noch nicht volljährig aber die Mutter versicherte uns, dass er seitdem er Kind ist nichts anderes macht außer Boot fahren. Vorsichtig versuchten wir in das morsch aussehende Boot einzusteigen. Während dieser wackligen Angelegenheit kassierte die geschäftstüchtige Frau bei Änn den ausgehandelten Preis für ein Boot garstiger Weise pro Personen ab. Noch merkte die gutgläubige Änn den Betrug nicht. Fränn bekam den Kassiervorgang nicht mit, da sie damit beschäftigt war ins Boot einzusteigen.

 

 

In den grüngestrichenen eisernen Stühlen des Bootes saßen wir trotz der Kissen etwas unbequem. Mit vollem Tempo krachte das Longtailboot (Langheckboot) im wahrsten Sinne des Wortes den Kanal zum Inle-See entlang. Gleich am Anfang des Sees konnten wir auch schon die Einbeinruderer beim Fischen beobachten. Diese einzigartige Technik des Fischfangs ist das typische Postkartenmotiv für die Region rund um den Inle-See und durfte auch in unserer Postkartensammlung nicht fehlen.

 

 

Angeblich ist der See nicht tief, nur so tief wie die Fangkörbe dieser außergewöhnlichen Fischer. Die ersten Einbeinruderer posierten dann auch direkt neben uns postkartenreif. Für ihre Stelzenkünste verlangten sie Geld. Die Fischer, die wir sahen, waren kein richtigen Fischer. Statt zu fischen, posierten sie den ganzen Tag für die Touristen und verdienten sich so ihr Geld.

 

 

Nach nur wenigen Minuten auf dem Wasser entfaltete der See seine volle Pracht. Der See war rechts und links von hohen Bergen umgeben. Das blaue schimmernde Wasser und die grüne Natur am Ufer des Sees gaben eine sehenswerte Kulisse ab. Wellen gab es hier keine, nur wenn ein weiteres Boot dröhnend an uns vorbei schipperte. Unser längliches Boot glitt sanft über das Wasser ohne Wellen zu brechen. Nur die ohrenbetäubenden Motorengeräusche im Hintergrund zerstörten die Idylle. Die Vibration des Motors am gesamten Boot und besonders an unseren Eisenstühlen massierte unschön unsere Wirbelsäulen. Wir steuerten als erstes die schwimmenden Gärten an. Man konnte die unterschiedlichen Pflanzenarten begutachten, an manchen Pflanzen hingen sogar Tomaten. Weiterhin werden auf diesen schwimmenden Beeten Gurken, Blumenkohl und Hyazinthen angebaut.

 

 

Viel Zeit für ein ausgiebiges Fotoshooting gab es nicht. Unser wortkarger Kapitän setzte den lauten Kahn recht schnell wieder auf Geschwindigkeit und steuerte zur nächsten Station, dem Bambus Dorf. Unser Boot schwamm langsam die Wasserstraße zwischen den Häusern entlang. Die Unterkünfte der Bewohner sind auf Stelzen gebaut. Wir begutachteten gespannt die vielen kleinen Häuser und Hütten hier mitten auf dem See. Fortbewegen kann man sich in diesem Pfahldorf nur mit einem Kahn oder Boot. Das Leben der Leute war voll und ganz ans Wasser angepasst. Es gab eine kleine schwimmende Post und Einkaufsläden auf Stelzen. Unsere schon geschriebenen Postkaten hätte wir gerne unter dokumentarischen Fotoarbeiten eingeworfen, wenn wir sie dabeigehabt hätten. Von den Stromleitungen die nur wenige Meter über der Wasseroberfläche gezogen sind, werden die Häuser mit Strom versorgt. Einige Hütten hatten sogar Satelliten TV. Selbst das Leben der Hühner und Katzen spielte sich auf dem Wasser ab, dabei nutzen die Tiere die vielen Stelzen und Balken um nicht direkt ins Wasser zu fallen. Es war ein faszinierender Anblick wie gut das Leben auf dem Wasser funktionierte.

 


 

Bis hierhin war der Trip sehr beeindruckend. Wir genossen den See und sein ungewöhnliches Treiben. Doch dann ging das Shoppingspektakel der Extraklasse los. Unser Bootsführer schleppte uns nur noch zu Stationen, bei denen es hauptsächlich darum ging die Waren an den souvenirsüchtigen Touristen zu bringen. Die erste Verkaufsveranstaltung war eine Seidenweberei. Die tüchtigen Frauen empfingen uns am Eingang mit einem Gläschen Tee. Wir waren misstrauisch und lehnten vorerst ab. Die touristische Führerin der Weberfrauen erkläre uns das Kunsthandwerk. Hier werden etliche Dinge aus Lotus- und Baumwollfasern hergestellt. Aus den Lotusstängeln werden die Fäden entfernt und verarbeitet. Sie erklärte uns Schritt für Schritt dieses aufwendigen Handwerkes. Lotusfaser kühlt im Sommer und wärmt im Winter und ist von der Verarbeitung her sehr aufwendig. Alleine für einen Meter Stoff benötigt man sieben Tage. Für ein Kilo Stoff dann zwei Monate. Und um aus den Stoff einen Longyi herzustellen dauert es weitere 3 Tage. Ein Schal aus Seide benötigt insgesamt 20 Tage, so berichtete die Oberweberin. Wir unternahmen einen Rundgang in der Weberei und beobachteten die Frauen an ihren altertümlichen Webstühlen. Es hatte auch etwas von einem Museum, jedoch schienen die Menschen hier in der Tat noch so zu arbeiten. Wir waren fasziniert und ließen uns ein paar teure Mitbringsel aufschwatzen.

 

 

Mit dem Boot fuhren wir ca. 150 Meter bis zur nächsten Verkaufsveranstaltung, einer Silberschmiede. Auch hier empfing uns eine Frau wieder herzlich und reichte uns Tee. Diesmal schlugen wir zu und ließen uns das warme Getränk schmecken. Ein junger Mann im Trikot der Deutschen Fußball Nationalmannschaft schmolz an einem auf den Boden aufgebauten kleinen Kohleofen unter dem Vortrag der Frau einen Silberklumpen. Dann wurden uns drei Männer gezeigt, die in mühsamer Kleinarbeit die Ketten und Anhänger, die im Verkaufsangebot der Hütte standen, herstellten. Der Rest der Hütte war reine Verkaufsfläche. Silberschmuck interessierte uns nicht weiter, schnell stiegen wir wieder in das Boot und ließen die verdutzt schauende Verkäuferin in ihrem Ladengeschäft stehen.

 

 

Nur eine Wasserstraße weiter lud der Bootsfahrer uns wieder ab. So langsam hatten wir den teuflischen Plan durchschaut. Station für Station werden hier die Touristen durch die unterschiedlichen Verkaufsveranstaltungen geschickt. Dabei nahmen die Vorführungen des Herstellungsprozesses qualitativ erheblich ab. Als nächstes stand eine Zigarrenmanufaktur auf dem Plan. Auf dem Boden saßen Frauen, die Zigarren in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen rollten. Wir ließen es uns nicht nehmen und probierten jeder eine Zigarre. Zwei unterschiedliche Geschmacksrichtungen gab es im Angebot: klassisch und eine süße Variante, die gar nicht weiter nach einer Zigarre schmeckte und dem süßen Geschmack einer e-Zigarette ähnelte. Änn erwarb ein kleines Kästchen mit diesen Glühstengeln zur Erinnerung.

 

 

Die Bambuswerkstatt, die ihren Namen wirklich nicht verdiente, war die Höhe des Shoppingspektakels. Hier gab es noch nicht mal eine Vorführung und die Bambusware lag im rumpeligen Verkaufsladen auch nur zu ca. 10 Prozent aus. Der Rest waren eingestaubte Tücher, Figuren und Kleidungsstücke, die man sonst in Myanmar an jeder Häuserecke kaufen kann. Wir hielten uns nicht länger als nötig auf. Die Tagesbootstour bot immer wieder den gleichen Ablauf: anhalten, aussteigen, im besten Fall eine Präsentation des Produktes, Kauf oder nicht Kauf und wieder einsteigen, einige Meter Bootsfahrt und dann das ganze Spiel von vorne.

 

 

Etwas erschöpft vom vielen Shopping hielten wir auf dem See an einem auf Stelzen errichteten Restaurant. Hier genehmigten wir uns den Klassiker der burmesischen Klassiker: den Teeblattsalat. Der Teeblattsalat mutierte zu Fränns neuem Leib- und Magengericht. Zum Salat wurde uns eine nette Tasse Grüntee gereicht. Wir genossen das Essen und den Ausblick auf den See und das Pfahldorf. Mit einer ordentlichen Portion dieses traditionellen Gerichtes im Magen ließ sich die bevorstehende Shoppingtour besser ertragen, denn wenn Änn & Fränn Hunger haben, dann ist mit ihnen nicht gut Kirschen essen.

 

 

 

Neben den vielen Nepper-Schlepper-Verkaufsstationen hielten wir zu unserer Überraschung dieses Mal an einer richtigen Sehenswürdigkeit, der Puangdaw Pagode, an. Jedenfalls dachten wir das anfangs noch als wir uns dem Anlegersteg näherten. Doch der viele Müll im Wasser und die laute abschreckende Musik warnten uns bereits beim Aussteigen vor der angeblichen Attraktion. Rund um die Pagode herum waren Verkaufsstände aufgebaut. Man konnte sagen die Pagode war durch die Stände völlig zugebaut. Von außen erkannten wir überhaupt nichts von dem Bauwerk. Das Innere der Pagode durften wir mit unserer sommerlichen Bekleidung nicht betreten. Wir hatten keine Sachen an oder dabei, die Schulter und Knie bedeckten. Bei der kurzen Erkundungstour nervten die Verkäufer und Verkäuferinnen uns so sehr, dass wir die blöde Pagode auch gar nicht weiter besichtigen wollten. Und von dem Plunder rund herum hatten wir sowieso die Nase voll.

 

 

Wir wollten schleunigst weiter, doch leider fing es an zu regnen. Der Himmel sah verdächtig nach Gewitter aus. Zurück am Boot erkundigte sich der Bootsführer nach der Länge unseres Aufenthaltes in Nyaung Shwe. Wollte er etwa wegen dem Gewitter heute nicht mehr zurückfahren? Wir bekamen einen Schrecken, denn bei der Rummel- und Bumsmusik hatten wir keine Lust länger zu bleiben. Plötzlich signalisierte der junge Mann, dass die Bootsfahrt weiterginge und drückte uns die Regenschirme in die Hand. Er beruhigte uns und versicherte es wäre kein Problem jetzt weiterzufahren. Änn sträubte sich bei Gewitter die Reise auf dem See fortzusetzen. Es kostete Fränn eine gewaltige Kraft an Überredungsgeschick, um die ängstliche Änn in den Kahn zu verfrachten. Sie rechtfertigte die Weiterfahrt damit, dass wenn sich einer auf dem See auskennt und weiß, dass es nicht gefährlich ist, dann der junge Bootskapitän. Sie sollte nicht Recht behalten. Wir fuhren eine ganze Weile durch den Regen, es donnerte, Starkregen setzte ein, die Regenschirme nutzten jetzt auch nichts mehr. Die Kissen auf unseren Stühlen saugten sich mit Wasser voll. Unser Gesäß saß im Nassen. Als nächstes saugten sich unsere Hosen mit Wasser voll. Der Regen und das Gewitter wurden immer heftiger. Aber wir fuhren weiter. Jetzt gab es auch kein Dorf mehr, bei welchem wir Unterschlupf kurzfristig gefunden hätten. Das Longtailboot mit uns als Passagiere fuhr direkt auf das Sturmauge zu. Selbst Fränn hatte jetzt Todesangst und brüllte Stopp. Doch der mutige Bootsführer hatte keine Angst und sah nicht ein an einem schützenden Unterschupf anzuhalten. Er zog sein Programm durch und lud uns erst an der nächsten geplanten Shoppingstation ab. Wutentbrannt stiegen wir mit durchnässten Kleidern aus dem wackeligen Kahn. Doch letztendlich waren wir froh noch am Leben zu sein.

 

 

Und als wenn nichts passiert wäre, begannen die auf Touristen dressierten Bewohner dieser Hütte an den Herstellungsprozess ihrer traditionellen Regen bzw. Sonnenschirme vorzuführen. Irgendwie interessierte uns das gar nicht mehr. Die Frauen präsentierte uns trockene Hosen, welche sie natürlich auch im Angebot hatte, da sie sicher ein lukratives Geschäft witterten. Doch nicht mit Änn & Fränn. Wir wollten einfach nur noch zu unserer Unterkunft und freundeten uns mit Gefühl der nassen Sachen auf der Haut an.

 


Rein in den Kahn und weiter ging die Tour über den Inle-See. Fränn war schon sehr gespannt auf die Langhalsfrauen auch bekannt als Giraffenhalsfrauen an der nächsten Station. Ein Werbeplakat an der Stelzenhütte kündigte sie uns an. Vorfreudig liefen wir eilig die kleine Treppe zum Eingang hinauf. In der holzigen Behausung befand sich eine Weberei. Die Langhalsfrauen legten selber Hand an und stellten feinen Stoff für Longyi und Schals her. Wir waren fasziniert von der Schwere des Halsschmuckes. Da soll mal jemand sagen Fränn ihre Lieblingskette sei schwer. Auch hier wurden wir wieder fündig und rundeten den Shoppingeinsatz für den heutigen Tag ab.

 

 

Katzenliebhaberin Änn freute sich von Anfang an eigentlich nur auf das Nga Phe Kyaung Kloster, das auch „Jumping Cat Monastery“ genannt wird. Früher richteten die Mönche dort Katzen ab, die durch Reifen sprangen. Allerdings sollen die Katzen dies heute nicht mehr machen. Eine Menge Katzen gab es dort aber trotzdem noch und Änn wollte sie dringend begutachten. Das Kloster selbst war ziemlich unspektakulär. Sofort wurde man wieder von Verkäufern bedrängt Kleidung und Souvenirs zu kaufen. Ohne dem Tempel und der Anlage jegliche Aufmerksamkeit zu schenken, widmete sich Änn sofort den Katzen. Nur schwer konnte Fränn sie von den haarigen Vierbeinern wegbekommen. Eine kleine Katze folgte Änn fast bis zu unserem Boot.

 

 

Trotz der teilweise anstrengenden Shoppingtour konnten wir unsere Taschen trotzdem mit schönen Dinge füllen. Zufrieden steuerten wir mit beginnenden Sonnenuntergang Richtung Unterkunft und freuten uns die nassen Sachen gegen trockene Kleidung zu tauschen. Während wir über den See schipperten resümierten wir die Ausgaben des zurückliegenden Tages. Jetzt fiel der Betrug der Bootstourenverkäuferin auf. Fränn war schockiert das Änn sich so leicht den doppelten Preis hat abnehmen lassen. Am Bootsanleger angekommen, wollte Fränn sofort das Ding mit der betrügerischen Verkäuferin von heute Morgen klären und neu abrechnen lassen. Die hinterlistige Dame hatte die leichtgläubige und zarte Änn knallhart betrogen. Statt den abgesprochenen 18.000 Kyat pro Boot (13 €) hatte sie pro Person 18.000 Kyat kassiert. Nach reger Diskussion und gefühlten hundert Ausreden später knickte die Frau nur leicht ein und Fränn handelte 10.000 Kyat raus. Da es unserer fehlenden Aufmerksamkeit beim Bezahlvorgang geschuldet war, willigten wir ein. Zwar hatten wir 8.000 Kyat weniger in der Tasche aber um jeden Preis Recht zu behalten, machte uns auch nicht glücklicher. Wir nahmen es mit Humor und freuten uns auf einen großen Obstteller, den wir uns zum Abendbrot gönnten. Und suchten schon mal neue Ausflugsziel für den nächsten Tag hier am Inle-See.


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2 Gedanken zu „Ein hinterlistiger Betrug am Inle-See in Myanmar

  1. Nabend erstmal Mädels! Da will man raus in die Natur und dann sowas. Von Shop zum nächsten Shop. Also wie so oft jetzt in der Welt haben die Dorfbewohner „Marketing“ studiert. Schade eigentlich, aber das passiert, dennoch hattet ihr einen erlebnisreichen Tag und das ist doch das Ziel. Die Fotos sehen cool aus.
    Ich hoffe am Samstag alles live und in Farbe von euch zu hören.
    Habt einen ruhigen Arbeitstag morgen und seid wie immer lieb gegrüßt

    1. Na ja das gehört doch dazu und schließlich sind wir fast überall fündig geworden. Das Arbeitsleben hat uns wieder eingeholt aber es folgen ja noch sooooo viele weitere Abenteuer. 🙂

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